2012-04-08

zu «Welt am Draht»

Ausgezeichnet inszeniert und choreographiert, mit brillantem Dekor und dynamischster Kamera. Die Story ist recht banal, aber spannend. Verzichtet dankenswerterweise auf überflüssiges Spektakel. Überraschend lahm ist die Auffassungsgabe der Charaktere. Absicht oder nicht? Was wir beim Zuschauen schnell ahnen — dass der simulierende Protagonist selbst simuliert ist — wird ihm nur ganz allmählich klar, fast quälend langsam, obwohl ihm die Regie die Hinweise darauf säuberlich und klar nach und nach präsentiert.

Geradezu albern ist die Borniertheit fast aller übrigen Charaktere (abgesehen vom heldenhaften Gewerkschafter Walfang): Staatsminister, Stahllobbyist und vor allem der unsäglich bornierte Psychologe scheinen alle über ein Minimalrepertoire von Aussagen zu verfügen. Was unter anderen Umständen den Drehbuchautoren angelastet werden müsste, kann sich hier als bestechende Konsequenz aus der Anlage der kleinen Spielwelt als elektronische Simulation erschließen lassen. Und doch macht es mir Unbehagen, wenn diese Figuren so ganz ohne Rückgrat, die Frauen als aufgetakelte Püppchen, die Herren als Nachrichtensprecherpersiflagen, auf Schienen durch den scheußlich prätentiös eingerichteten Versuchsaufbau eiern. Keine Menschlichkeit, nur Typen: der verrückte Professor, der blasiert-intellektuelle Journalist, der latent aggressive, schnodderige Held, die großbusigen Sekretärinnen, die kumpelhaften Kollegen Lause und Walfang, der dauergrinsende Institutschef, der kleine Staatsbamte, der technokratische Stahl-Lobbyist, der unbeholfen plappernde, fahrige Psychologe. Sie alle spielen ihre Rolle immer vorhrsehbar. Das nervt.

Aufgefallen ist mir, dass es keine Herzlichkeit gibt, abgesehen von der Schlussszene, als die beiden nun "realen" Figuren Eva und Stiller auf dem Boden kugeln. Stattdessen Dialogfetzen, die auf der Beziehungsebene alles oder nichts bedeuten können, albern und unbeholfen wirkende James-Bond- bzw. Femme-Fatale-Gesten; das einzig Substanzielle während der Gespräche ist der Whiskey, der vertilgt wird, wenn wieder einmal die Floskeln erschöpft sind, also ständig. Sie geben sich nicht einmal die Hand, fläzen sich bloß in zu großen Sesseln oder rennen aufgebracht kreuz und quer durch die Räume. Nähe nur, wenn der Held mal wieder jemanden am Kragen packt. Die Männer: entweder hirnlos floskelnde Rundfunkgesichter im Anzug (erinnern an Loriots treffende Karikaturen) oder saufende Machos mit schnellen Autos. Die Frauen: geheimnisvolle Femmes Fatales, die sich als Projektion entpuppen, und großbusige Kühe namens Gloria. Die Probleme: eindimensional, ob es der Konflikt zwischen kommerzieller und staatlicher Forschung ist oder die Simuliertheit der Welt. Vielleicht waren die 70er so? So eindimensional, so sexistisch, so unfähig zu Emotionen, so durchtypisiert? Vielleicht waren die Ambivalenz und der Relativismus, die die Postmoderne in den Diskurs gebracht haben, Antworten auf die gängigen Verkürzungen? Das kann ich nicht beurteilen, es bleibt als Frage offen neben der, wie damals die Konventionen des menschlichen Umgangs miteinander gewesen sind.

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