2011-09-02

Drei Architekten (1)

Zur Frage, was uns ins "schöne Leben" treibt, und was uns davon abhält.
Der Bewegungsfilm "Drei Architekten" zeigt eine Suche nach dem schönen Leben. Drei Erlebnisse schaffen Bewusstsein für die Voraussetzungen: in der Metropole mangelt es an Perspektive, in der Kommune mangelt es an Reflexion, daher an Bewusstsein für Machtverhältnisse. Und dem Eremiten, der sich all dessen bewusst ist, fehlt schlicht der Optimismus, der bedingungslose Glaube an positive Veränderung, der ihn aus seiner Isolation reißen könnte.

Der Prozess der Bewusstwerdung wird getrieben durch den "Blick über den Tellerrand", die kontinuierliche Frage "ist das alles?", die einen Blick "von außen" selbst auf die Situation erlaubt, die wir nur von innen erfahren. Es stellt sich sofort eine Irritation ein: die Realität behauptet ihre Alternativlosigkeit, indem sie an allen Sinnen zerrt, während der Geist ein körperloses Negativ beschwört. Es siegt nun vielleicht die Neugier, oder der Leidensdruck schwächt die Farben des Sichtbaren. Wo kann ich Ruhe finden? Da, wo mein Sehnen von der Umwelt beantwortet wird. Vielleicht nirgendwo, deshalb Utopie. Die Suche ist: neuer Ort, Fühler ausstrecken / einfühlen, die neue Realität befragen. Welche Antwort?

Es gibt die Nicht-Antwort der Leere. Vielleicht im Meer oder im Nebel oder im Schlaf. Es gibt das Echo einer unverrückbaren Wand aus Stein, das ist immer das gleiche. Es gibt den Wiederklang des Angenehmen, der schmeichelt mir da, wo ich schon stark bin. Es gibt die Antwort, die vielleicht für andere Ohren bestimmt ist und mir nichts sagt, vielleicht neue aber unaussprechliche Fragen aufruft. Und es gibt die Idee, die Bewusstsein schafft, mich wachsen lässt.

Die Bewegung nach vorn ist Glauben an das Andere und Frage gegen das Gegebene und unauslöschlicher Eifer zugleich. Das Durchquerte wird fad, und da, wo ich hingehe, geht etwas auf. Ist der Schritt zögerlich, dann bleibt die Antwort vielleicht aus. Dann bin ich in einer Leere, stülpe mich vielleicht nach innen. Kommt die Frage dröhnend verstärkt zurück, gehe ich gegen eine Mauer. Bin ich stark genug, die Mauer zu durchbechen oder anders zu überqueren? Fühle ich mich wohl, dann vergesse ich meine Bedenken, setze mich. Und dann sehe ich mich sitzen und denke mir das Gegenteil aus und frage wieder weiter. Oder ich höre das, was etwas anderes formt, und staune, oder fürchte mich, oder fühle mich fremd. Schließlich der Moment der Erkenntnis, die vielleicht keine Wahrheit ergibt, aber schlüssig ist: hier schließen sich z.B. zwei Ansätze zu einem festen Haken.

Wer Kritik übt, steht irgendwann vor der Herausforderung, das noch körperlose Negativ zu gestalten, konkret: eine Perspektive zu entwickeln. Das erfordert einen Ausbruch aus dem Rahmen des Kritisierten. Nicht an inneren Widersprüchen gehen Konventionen zugrunde, sondern an begeisternden Alternativen. Insofern ist für Bewusstseinsformung nicht nur Logik und Kritik nötig, sondern auch empathische Konfrontation mit Fremdem. Im Film gibt es die empathischen Momente, wenn ich mich öffne, mit dem Wind oder dem Wasser oder dem Licht fühle. Die begeisternden Bilder von der Natur sind gefühlsbildend für die, die sich darauf einlassen und ihre Empfindung herauslassen. Selbst das Alte kann, neu betrachtet, die verblassenden Farben der Seele neu beleuchten. Das ist am Anfang der wirbelnde Fluss durch die Räume, der mich an meine Sehnsüchte erinnert. Ein Ausbruch aus den Kreisen und getragen vom Luftstrom. Später bin ich auf der hellen Wiese, dann im Feuerschein, im Wasser, dann im Wald und schließlich im Mondschein. Die Phänomene sind Inspiration.

Eine Suche nach dem schönen Leben, ein stetiger Prozess aus Frage, Konfrontation und Inspiration, soll auch die Produktion sein. Voraussetzungen dafür sind sowohl die Sehnsucht aller Beteiligten nach einer (gern diffusen) "Utopie" als auch die Fähigkeit, die je aktuelle Situation mit der Utopie zu vergleichen. Und schließlich noch der Glaube an den "Fortschritt" in Richtung dieser Utopie. Auch wenn ich jetzt politisch konnotierte Begriffe verwende, meine ich einer sehr persönliche Einstellung: wer schon zufrieden ist, such meist nicht weiter; wer nicht reflektiert, verirrt sich vielleicht in Verblendungen, und wer pessimistisch ist, verändert nichts.

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